Hunderte Betriebe produzieren in Norwegen rund 1,2 Millionen Tonnen Zuchtlachse im Jahr. Deutschland ist einer der größten Abnehmer. Doch wie kommt der Fisch eigentlich ins Meer und wie gelangt er von dort in die Produktionsstätte? Lasst uns zusammen hinter die Kulissen einer hocheffizienten, streng überwachten und schnell wachsenden Industrie schauen. Auf den Spuren der Zuchtlachse in Bergen in Norwegen!
Endlose Weiten, steinige Hügel, diesige Luft und tief abfallende Fjorde – unsere Norwegen-Reise geht weiter und führt uns heute von Bergen bis nach Øygarden im Westen an der Nordsee. Die kleine Kommune liegt in der norwegischen Provinz Hordaland. Rund 450 Inseln, Holmen und Schären – das ist Øygarden, unser Abfahrtsort raus aufs Meer zu den großen schwimmenden Zuchtstationen. Hier findet die letzte Aufzuchtphase der Lachse im Wasser statt, bevor sie per Schiff zur Produktionsstätte gebracht werden.
Jeden Tag landen weltweit 31 Millionen Gerichte mit norwegischem Seafood auf den Tellern. 15 Millionen davon stammen aus norwegischer Aquakultur
Als ich vom “Norwegian Seafood Council” zu dieser Reise eingeladen wurde, stand für mich sofort fest: Ja, da fahre ich mit. Doch mit gemischten Gefühlen. Mit traumhaft schönen Bildern idyllischer Fjorde, kristallklarem Wasser und sauberer Natur wird uns der Zuchtlachs aus Norwegen schmackhaft gemacht. Doch verschweigt uns ein solches Marketing vielleicht die Schattenseiten der Zucht? Wie sieht es wirklich aus? Wieviel Platz haben die Fische und wie werden sie gefüttert? Der Schritt, Foodblogger aus ganz Deutschland hinter die Kulissen der Zuchtindustrie schauen zu lassen, machte mich neugierig. Was erwartet uns? Kann ich im Nachhinein überhaupt noch guten Gewissens Lachs essen? Kommt, wir schauen es uns an…
Vom Fischrogen bis zum ausgewachsenen Lachs
Fischrogen
Der erste Produktionsschritt in der Lachs-Aquakultur erfolgt in einem Inkubator. Wie auch bei Wildlachsen wird der Fischrogen in Süßwasser befruchtet. Nach etwa 60 Tagen in acht Grad Celsius kaltem Wasser schlüpfen die Lachsbrütlinge.
Brut
Nach dem Schlüpfen haben die Lachsbrütlinge einen Dottersack am Magen, aus dem sie ihre Nahrung beziehen. In dieser Phase nennt man sie “Dottersackbrutfische”. Vier bis sechs Wochen nach dem Schlüpfen können die Brütlinge gefüttert und in Süßwassertanks umgesetzt werden.
Smolt
Nach zehn bis 16 Monaten wiegen die Lachse zwischen 60 und 100 Gramm und sind bereit für die Übersiedelung vom Süß- zu Salzwasser. In dieser Zeit verlieren sie ihre Fingermarken auf der Haut, diese wird oben dunkel und unten silbern. Auch organisch verändern sie sich, sie können jetzt Salzwasser durch ihre Kiemen und Nieren ausfiltern. Dieser Prozess nennt sich “Smoltifikation” und ist notwendig, um im Meer zu überleben.
Farmlachse
Die Lachse werden in Netzgehegen in den Fjorden gehalten. Je nachdem, wie schwer ein Lachs werden soll, bleibt er zwischen 14 und 22 Monaten in den Gehegen. Kleinere Lachse wiegen zwischen drei und vier Kilo, größere Lachse bringen bis zu zehn Kilo auf die Waage.
Die ausgewachsenen Zuchtlachse
Wenn die Zuchtlachse ausgewachsen und fertig für die Produktion sind, werden sie vorsichtig aus den Netzgehegen in ein Wasserbecken eines Schiffes gepumpt und zur Produktionsstätte gebracht. Dabei hat eine stressfreie Beförderung oberste Priorität für die Unternehmen, um das Wohlbefinden der Lachse sowie ihre Qualität zu gewährleisten. In den Produktionsstätten werden die Fische ausgenommen, gewaschen, nach Größen sowie Qualitäten sortiert und auf Eis gelegt.
Etwa drei Stunden nachdem sie aus dem Wasser geholt wurden, sind sie bereits auf dem Weg zu norwegischen Fischtheken oder in eines der 100 Länder, die norwegischen Lachs importieren.
Fakten, Fakten, Fakten
- Der Durchmesser eines typischen Netzgeheges beträgt etwa 50 Meter. Die größten Netzgehege haben einen Umfang von 200 Metern.
- Ein durchschnittliches Netzgehege ist zwischen 20 und 50 Metern tief, liegt in der Länge also zwischen einem Kurzbahn- und einem Langbahnschwimmbecken.
- Die Fischdichte ist auf max. 200.000 Fische pro Netzgehege festgelegt. Das soll den Tieren ausreichend Freiraum garantieren.
- Die Netzgehege sind im Meeresboden verankert.
- Eine typische Aquakulturanlage auf dem Meer besteht aus sechs bis zehn Netzgehegen mit einer Gesamtauslastung von 3.000 bis 5.000 Tonnen Fisch.
- Ein Netzgehege besteht aus einem schwimmfähigen Trägerelement an der Wasseroberfläche, einem Netz, in dem die Fische schwimmen sowie einem Netz oberhalb der Gehege, um die Bestände vor Tieren wie Vögeln, zu schützen.
- Fischfutter: Das Lachsfutter besteht nach Angaben der Züchter aus Fischöl und Fischmehl, Pflanzenöl und pflanzlichen Stoffen sowie Proteinen und Kohlenhydraten. Das Fischöl und das Fischmehl werden demnach aus Fisch-Sidecuts und aus Wildfisch, der nicht für den menschlichen Verzehr geeignet ist, gewonnen. Heute stammen circa 70 Prozent des Fischfutters aus vegetabilischen Quellen, der Rest kommt aus marinen Quellen (Fischöl, Fischmehl).
Heute ist Lachs ein Massenprodukt
Endlose Weiten, steinige Hügel, diesige Luft und tief abfallende Fjorde – unsere eintägige Expedition zu den Lachsfarmen geht zu Ende und unser Weg führt uns zurück nach Bergen. An einem Tag haben wir den Lebenszyklus eines Lachses verfolgt und die “Züchter” mit kritischen Fragen gelöchert.
Doch was bleibt nun von diesem Besuch? Auf der einen Seite finde ich es gut, dass in Norwegen nach Angaben der Züchter seit 13 Jahren keine Antibiotika mehr in der Lachszucht eingesetzt werden, dass ständig daran gearbeitet wird, den Tieren den “Weg der Zucht” so “unbeschwert” wie möglich zu gestalten und dass das Futter immer regelmäßiger und strenger kontrolliert wird. Die Schauergeschichten von medikamentengeschwängerten Zuchtfischen sind wohl tatsächlich Geschichte – zumindest was die Zucht in Norwegen angeht.
Andererseits reise ich aber auch mit unschönen Bildern im Kopf zurück. Mit Bildern von großen Becken mit tausenden von Fischen, langen Förderbändern und Kartons, die für die Lachse bereitstehen, die ich gerade noch schwimmen gesehen habe. Sicher, der Lachs ist ein Massenprodukt. Und mir ist klar, dass kontrollierte Zucht angesichts der großen Nachfrage wohl alternativlos ist. Trotzdem sind Lachsfarmen ein schwieriges Thema. Vor allem für Tier- und Umweltschützer.
Grundsätzlich würde es uns allen guttun, häufiger genauer darüber nachzudenken, was bei uns auf dem Teller landet. In Zeiten, in denen Tomaten im Supermarkt teurer sind als ein Stück Fleisch im Discounter und unsere Meere überfischt sind, gilt die Devise weniger ist mehr. Und manchmal tut uns doch auch der ein oder andere “Veggie-Tag” richtig gut 😉 .
Zum Abschluss gibt’s unsere Reise im Video – viel Spaß!
Bye for nå (bis bald auf norwegisch) & liebste Lachs-Grüße
Eure Line
* Zu dieser Reise wurde ich vom Norwegian Seafood Council eingeladen. Auf Inhalt, Umfang oder Erscheinen des Artikels wurde kein Einfluss genommen.
*Mit Fotos von Tom Tautz und Infos vom Norwegian Seafood Council
2 Comments
Dirk Schwietzke
16. August 2017 at 11:34Es ist ja interessant, dass sich die Lachslobby aus Norwegen jetzt auch an die Blogger wendet, um sich bei diesen in ein gutes Licht zu setzen. Mich würde mal interessieren, ob ihr auch mal kritisch nachgefragt habt, wie es einerseits mit der Umweltbelastung bei den Fischfarmen aussieht. Auf dem Meeresboden unterhalb von Fischfarmen ist nämlich jegliches Leben abgestorben. Andererseits wird dem Futtermittel für die Fische eine chemische Antioxidantie namens Ethoxyquin beigemengt, die zum Beispiel als Pflanzenschutzmittel in der EU seit Jahren verboten ist. Es gibt für Lebensmittel, die aus Zuchtfarmen stammen und die in der Regel alle hohe Werte von Ethoxyquin aufweisen nicht einmal verbindliche Grenzwerte, was doch sehr fragwürdig ist, wenn doch der Einsatz in der Landwirtschaft verboten ist. Schöne Bilder und eine tolle Reise ist die eine Sache. Meiner Meinung nach hört sich euer Beitrag doch sehr blauäugig und recht unkritisch an.
Karoline
17. August 2017 at 19:47Lieber Dirk,
Vielen Dank für deine Anmerkungen. Wir haben uns natürlich im Vorfeld kritisch mit der Lachszucht auseinandergesetzt. Auch vor Ort haben wir – wie auch viele der anderen Blogger – natürlich kritische Fragen gestellt. Uns kam es dabei allerdings eher auf die Haltebedingungen der Fische an als auf etwaige Umweltbelastungen. Und da hat sich in den vergangenen Jahren schon einiges zum Guten gewendet. Nichtsdestotrotz bleibt Zuchtlachs immer noch Zuchtlachs und die Lachsproduktion in Norwegen ein Geschäft. Dass das mit unschönen Nebeneffekten, wie du sie beschrieben hast, verbunden ist, dürfte klar sein. Uns ging es in diesem Text darum, den Leuten einmal klar zu machen, wie Zuchtlachs eigentlich hergestellt wird, wie die Fische aufzogen werden und in welchem Umfeld sie wachsen. Wenn sich etwas verändern soll, müssen sich die Menschen zunächst einmal bewusst machen, was sie essen.
Last, but not least: Lies doch noch einmal die letzten Absätze unseres Beitrags. Wir haben durchaus einige kritische Worte gefunden.
Liebe Grüße
Line & Tim